Nach ihrem Renteneintritt unterstützt Desdemona Kossack Grundschulkinder beim Lesen lernen.
43 Jahre arbeitete Frau Kossack mit viel Herzblut als Grundschullehrerin. Für sie standen immer die Kinder im Mittelpunkt, umso schwieriger war es, als sie ihren Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben konnte.
Der Renteneintritt brachte jedoch vor allem eins mit: Freiheit und Zeit. Zeit für sich, Zeit zum Nachdenken und Freiheit, sich neuen Aufgaben zu widmen.
Als die Zeit reif war und es der frisch gebackenen Ruheständlerin besser ging, widmete sie sich dem Gedanken an ein Ehrenamt. Die Freiwilligen-Agentur kannte sie schon und im Beratungsladen wurden ihr verschiedene Projekte vorgestellt, darunter die Bildungs- und Lesepatenschaften.
„Irgendwann mache ich etwas in diese Richtung, weil ich weiß, dass Kinder mit Schwächen oft hinten runterfallen“
sagte sie sich und startete 2020, kurz vor Corona, ihr Engaegment. Seitdem ist sie einmal in der Woche in einer halleschen Grundschule und unterstützt zwei Kinder mit Lese-Rechtschreibschwäche dabei, Lesen zu lernen.
„Ich stehe nicht gerne früh auf, aber wenn ich durch die Tür komme und schon vor dem Raum erwartet werde, muss ich lächeln.“
In ihrer Tasche hat sie zwei Bücher, ein Schachbrett und je Kind eine Unterrichtsstunde Zeit. In der Schulbibliothek setzen sich Desdemona Kossack und ihr Patenkind an einen Tisch. Als erstes spielen sie Schach, das taktische Vorgehen bringt ihr der Zehnjährige bei. Der Patin ist es wichtig, dass die Kinder sich wohlfühlen und mit ihren Stärken gesehen werden. Danach ist sie dran und unterstützt beim Lesen. Dazu haben sie ein Buch über das Spiel vor sich liegen und lesen beide einen Abschnitt daraus vor.
Als nächstes übt sie mit einer Schülerin. Auch sie soll sich wohlfühlen und die Lesepatenschaft mit etwas Positivem verbinden. Das „Neinhorn“ liegt vor ihnen. Das Buch hat sie sorgfältig ausgesucht, denn Einhörner treffen das Interesse des Mädchens. Zwischendurch spielen sie eine Partie „Galgenraten“ mit einem Wort, das sie im Buch gelesen haben. Wenn die Kinder ein Buch geschafft haben, bekommen sie es geschenkt. Als Symbol für ihren Erfolg, als Belohnung und als Wertschätzung.
Die Lesepatin erhält auch kleine Geschenke, beispielsweise eine handgeschriebene Weihnachtskarte. Doch das ist nicht der Grund für ihr Engagement.
„Weil ich weiß, wie Kinder sich alleine fühlen, wenn sie eine Schwäche haben. Man kann den Kindern im Schulsystem nicht gerecht werden. Aber wenn ich die Zeit habe, kann ich sie für das nutzen, was ich kann.“
Ihr Engagement als Lesepatin ermöglicht ihr viel Flexibilität, aber auch das Einbringen ihrer beruflichen Erfahrungen und Kompetenzen.
Wenn sie von ihren Patenkindern erzählt, lächelt sie und es ist deutlich, dass diese Patenschaft für beide Seiten bereichernd ist.
„Es kann sein, dass man im Alter isoliert ist, gerade wenn die Kinder aus dem Haus sind und man alleinstehend ist. Aber man kann nicht warten, dass andere auf einen zukommen. Man muss überlegen, was gibt es? Und es gibt so viele Nischen, so viele Dinge, die man machen kann. Es ist nicht nur, dass man hilft, sondern dass es eine totale Bereicherung für einen selbst ist.“
Für Frau Kossack gehört der Besuch in der Schule zu ihrer Woche fest dazu und sie übt ihr Engagement so aus, wie früher ihren Beruf: mit Herzblut.
Interview und Text: Ann Borgwardt